Betroffene möchte Selbsthilfegruppe zum Thema Essstörungen gründen

Claudia M. leidet seit ihrer Jugend selbst an Essstörungen. Die Betroffene sucht nun weitere interessierte Betroffene zur Gründung einer Selbsthilfegruppe.

Limburg-Weilburg. Claudia M. möchte im Landkreis Limburg-Weilburg dauerhaft eine Selbsthilfegruppe für Essgestörte etablieren. „Es geht aber nicht um Diäten, das gemeinsame Abnehmen, sondern um den Erfahrungsaustausch unter Betroffenen von Essstörungen“, sagt die 52-Jährige, die beruflich als Coach selbständig ist. Teilnehmen können Menschen, die an Magersucht, Bulimie oder einer Binge-Eating-Störung leiden. Das sind Personen, die mit wiederkehrenden Essattacken zu kämpfen haben und im Gegensatz zu Bulimie-Kranken nicht durch Erbrechen versuchen, der damit verbundenen Gewichtszunahme zu entgehen.

Claudia M. hat diese Störung schon als Kind entwickelt, wie später festgestellt wurde. Zu ihrer schlimmsten Zeit wog sie 183 Kilo bei einer Körpergröße von 1,63 Meter. Oft, wenn sie sich von ihren Gefühlen überrannt fühlte, kamen abendliche Essanfälle, die sich zwischen süßem und deftigem Appetit abwechselten. Dieses geschah immer im Verborgenen, wenn sie alleine war; dann, wenn sie ihre Pflichten erledigt hatte, die Kinder im Bett waren und ihr Mann in der Spätschicht.

Ihr Problem sind nicht Partys oder gemeinsame Restaurantbesuche, im Gegenteil, oft aß sie dort sehr wenig und sehr langsam. Immer wieder der gleiche, aber damals unentdeckte Ablauf: Irgendwann kommt der Essensdruck dann eben wieder. Anfangs schmeckt es noch, aber mit zunehmender Zeit wird es ihr beim Essen immer übler. Trotzdem kann sie nicht aufhören, oft bis die letzten Vorräte im Haus aufgegessen sind. Wenn nichts daheim ist und ein Essanfall kommt, fühlt sich Claudia M. wie eine Drogensüchtige, die dringend an Stoff kommen muss. Die Gedanken kreisen zu oft nur noch darum, wie sie schnell irgendwo an Nahrung kommen kann. Ausgelöst werden die Essattacken, wie die Betroffene berichtet, durch Stress bzw. seelische Probleme. Die 52-Jährige hat sogar, wie sie erklärt, eine Magenverkleinerung machen lassen, um weniger zu essen und Gewicht zu verlieren. „Ich konnte den Magen operieren lassen, aber nicht den Kopf“, sagt sie. Essgestörter bleibe man in der Regel sein ganzes Leben lang ähnlich wie Alkoholiker. Mit dem Unterschied, dass ein Alkoholiker möglicherweise aufhören könne, Alkohol zu trinken, aber ein Essgestörter nicht einfach für immer aufhören könne, zu essen. Durch die Magenverkleinerung isst die Initiatorin der Selbsthilfegruppe zwar weniger als früher, aber die Essstörung gehe davon nicht weg. „Bei Essstörungen dreht sich den ganzen Tag vieles um essen und nicht essen“, berichtet sie. Denn oftmals würden Betroffene versuchen, tagsüber um jeden Preis auf Essen zu verzichten, weil sie wüssten, dass bald wieder eine Essattacke komme, aber sie nicht weiter zunehmen wollten. Egal in welcher Essstörung man stecke, sie sei nur schwer zu verstecken. Dadurch wird man laut Claudia M. oft verurteilt, mit Aussagen wie "Ess´ doch einfach gesund und beweg Dich mehr" und teilweise auch mit schlimmen Beleidigungen.

In der Klinik nach Feststellung ihrer Essstörung behandelt zu werden, hat Claudia M.sehr gutgetan. Dort hat sie auch gespürt, wie gut ihr Gruppenabende tun. Darum hat sie sich entschlossen, in ihrem Heimatlandkreis Limburg-Weilburg eine Selbsthilfegruppe zu gründen und den Kontakt mit der von Michelle Bautz geleiteten Selbsthilfekontaktstelle der Kreisverwaltung gesucht. Denn mit selbst Betroffenen könne man viel tiefere Gespräche führen, als mit Menschen, die mit Essstörungen nichts zu tun hätten. Auch Scham hindere sie daran, mit anderen Leuten offen über ihre Störung zu sprechen, gerade mit der eigenen Familie. Leute aus dem Bekanntenkreis, die selbst nichts mit Essstörungen zu tun hätten, würden Betroffene dann im Gespräch oft schnell in die „Du bist einfach zu schwach“-Schublade stecken. So einfach wie es sich Außenstehende vorstellen, ist es aber nicht, einen Essanfall zu verhindern.

Leider haben sich auf den ersten Aufruf zur Gründung der Selbsthilfegruppe nur zwei weitere Betroffene gemeldet. Und Austausch über einen längeren Zeitraum mache nur Sinn, wenn mehr Personen in der Gruppe seien. Dann gebe es viele Beispiele zu diskutieren, von denen man selbst dann profitieren könne. Genug Betroffene zur Etablierung einer größeren Gruppe in der Region sollte es nach Ansicht der Betroffenen auf jeden Fall geben. Gründe, warum es bisher so wenig Feedback gab, gibt es sicher einige. Zum einen gibt es ihrer Ansicht nach Menschen, die nicht in einer Gruppe über ihre Probleme reden möchten. M. glaubt aber auch, dass es sehr viele Menschen gibt, die gar nicht wissen, dass sie eine Essstörung haben.

Bei ihr persönlich kommt noch hinzu, dass sie unter einem Lipodem leidet, also einer krankhaften Wucherung des Fettgewebes. Die Betroffene findet es wichtig, dass sich jeder, der eine Essstörung hat, professionelle Hilfe holt. Vielen Betroffenen machten Depressionen und Vereinsamung zu schaffen. Und oft folge eine Diät auf die andere, ohne dauerhaft eine Gewichtsreduktion zu erreichen. Von daher kosteten Essstörungen auch viel Geld. Wer aus der Region unter einer Essstörung leidet und Interesse an der Teilnahme an der neuen Selbsthilfegruppe hat, soll sich einfach bei Michelle Bautz in der Selbsthilfekontaktstelle unter 06431 296 635 oder E-Mail selbsthilfe@limburg-weilburg.de, oder direkt bei Claudia M. bitte ausschließlich via WhatsApp 0177 2731612 melden.