Erfahrungsaustausch hilft, Leben mit starken Schmerzen besser zu ertragen

Ursula Jung leitet die Selbsthilfegruppe für Fibromyalgie Limburg-Weilburg.

Limburg-Weilburg. Ursula Jung leitet die Selbsthilfegruppe für Fibromyalgie Limburg-Weilburg in der Rheuma-Liga Hessen e.V. Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung, die sich durch Schmerzen in verschiedenen Körperregionen äußert. Die Schmerzen können auf der Haut, in den Muskeln und gelenknah spürbar sein. Andere typische Beschwerden sind unter anderem Schlafstörungen, Müdigkeit, schnelle körperliche wie geistige Erschöpfung und Konzentrationsprobleme.
Die 61-jährige Limburgerin berichtet, dass sie die Selbsthilfegruppe 2001 ins Leben gerufen habe, weil sie den Eindruck gehabt habe, dass sich vorher niemand in der Region für die Fragen der Betroffenen zuständig gefühlt habe. Jung denkt, dass viele ihre Probleme nicht ernst nahmen, weil man die gesundheitlichen Probleme hinter der Erkrankung nicht sehen könne. Darum würden ihre Symptome schnell in die psychische Schiene geschoben. „Wenn man sich Arm oder Bein gebrochen hat, sieht man das zum Beispiel durch den Gipsverband. Schmerzen kann man aber nicht sehen. Zudem gab es laut der heimischen Selbsthilfegruppenleiterin erst in Wiesbaden die nächste Gruppe, so dass die Gründung einer weiteren Gruppe für den Bereich Limburg-Weilburg für sie absolut Sinn ergab.
„Die Selbsthilfegruppe für Fibromyalgie Limburg-Weilburg hat“, wie Ursula Jung erzählt, „derzeit 70 Mitglieder“. Wer Interesse hat, kann einfach zu den gemütlichen Treffen zehn bis zwölf Mal im Jahr samstags um 15 Uhr ins Café Denkmal in der Domäne Blumenrod kommen. Die Uhrzeit der Treffen ist auch der Krankheit geschuldet, da die Beschwerden für viele Betroffene abendliche Treffen beschwerlich machen. Das Café Denkmal hat sich die Gruppe als Treffpunkt gesucht, weil man dort, wie Jung berichtet, ungezwungen sitzen und sich austauschen könne.
Die Gruppenleiterin bietet aber auch Telefonberatung und Hilfe bei Anträgen. „Es gibt viele Betroffene, die Probleme haben, Anträge oder auch Briefe richtig zu formulieren“, verrät sie. In den ersten Jahren habe die Gruppe auch einige Ausflüge gemacht und sich beispielsweise auch zum Walking getroffen, doch das sei und vor und während der Pandemiezeit eingeschlafen. Jung will aber versuchen, die Mitglieder der Selbsthilfegruppe wieder zu mehr gemeinsamen Aktivitäten zu motivieren.
Das Tückische an der Fibromyalgie ist, dass die Schmerzen immer und überall auftreten können. Jung ist seit 38 Jahren in Frührente, weil sie nie abschätzen kann, wann die starken Schmerzen kommen, die ihr ein Arbeiten unmöglich machen. Es kann durchaus passieren, dass es Phasen gibt, in denen sich Jung in der Lage fühlt, kleinere Tätigkeiten auszuführen. Doch plötzlich kommt der Muskelfaserschmerz wieder, der bei den Betroffenen keineswegs immer an derselben Stelle festzustellen ist, sondern mal hierhin und mal dorthin durch den Körper wandern kann. Einmal tut ein Arm weh, dann ein Bein oder die Wirbelsäule. Die Fibromyalgie ist unberechenbar.
Ursula Jung berichtet, dass sich Fibromyalgie in völlig unterschiedlichen Beschwerden äußern kann. Betroffene klagen teilweise über Erschöpfung, Müdigkeit oder Magen-Darm-Probleme. Woher die Fibromyalgie kommt, das ist, wie Jung berichtet, immer noch nicht bekannt. Ursula Jung war 13 Jahre jung, als sie aufgrund auftretender Schmerzen den Eltern nicht mehr in der Landwirtschaft helfen konnte. Ein Arzt unterstellte dem Kind nach eigenen Angaben: „Du bist zu faul zum Arbeiten“. Später bekam Ursula dann in der Uniklinik Bonn gesagt, warum sie denn nicht früher gekommen sei. Ihr wurden zunächst die Wirbelsäulenerkrankung Morbus Scheuermann und etwas später Rheuma diagnostiziert.  Ursula Jung sagt, dass man die Fibromyalgie sein ganzes Leben lang nicht losbekomme. Allerdings hätten Fachleute gesagt, dass die berechtigte Hoffnung bestehe, dass die Beschwerden ab 60 Jahren geringer würden. Das könne mit den Wechseljahren zusammenhängen. Bei Jung kommt aber noch dazu, dass sich aufgrund des Rheumas die Wirbelsäule immer mehr versteift.
Um starke Schmerzschübe zu überstehen, nimmt Ursula Jung starke Medikamente und versucht sich durch Malen abzulenken. „Viele Leidensgenossen bekommen psychische Erkrankungen, weil sie keiner mit ihren Problemen ernstnimmt. Von daher ist die Selbsthilfegruppe wichtig, weil darin auch andere sind, die die Probleme kennen und man sich deshalb gegenseitig austauschen und stützen kann“. Die Beschwerden laufen bei jedem Betroffenen anders ab. Sie versuche, sich möglichst wenig durch ihre Krankheit einschränken bzw. unterkriegen zu lassen, so Jung. Zur Ablenkung gibt die gelernte Bankkauffrau Englischkurse an der Volkshochschule. Sie hat aber durch ihre Krankheit auch ihre wahren Freunde erkannt. Denn einige kündigten ihr die Freundschaft, weil sie verabredete Treffen aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme teils im letzten Moment absagen müsse. Die Selbsthilfegruppenleiterin bedauert, dass Fibromyalgie nicht als Behinderung anerkennt sei. Ursula Jung kann nur selbständig wohnen, weil ihr ihr Mann im Haushalt hilft. „Wenn etwas gar nicht geht, dann bleibt die Arbeit eben liegen“, gibt’s sie offen zu: „Man muss einfach lernen, Nein zu sagen“. 
Interessentinnen und Interessenten erreichen Ursula Jung unter Telefon 06431 43903.