„Mutterherz in Warteschleife“/Selbsthilfegruppe für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch gegründet

Ein unerfüllter Kinderwunsch kann für viele junge Menschen sehr belastend sein. Foto: Pkozera/Pixabay.com

Limburg-Weilburg. In Deutschland hegen zahlreiche Paare den tiefen Wunsch nach Elternschaft, stehen jedoch vor der herausfordernden Realität eines unerfüllten Kinderwunsches. Diese Situation betrifft eine erhebliche Anzahl von Menschen, da etwa jedes siebte Paar in Deutschland von Unfruchtbarkeit oder Schwierigkeiten bei der Fortpflanzung betroffen ist. Trotz der Häufigkeit dieses Themas bleibt die Problematik kinderloser Paare oft ein gesellschaftliches Tabuthema. Diese Paare sind häufig Unsicherheiten, Stigmatisierung und unerfüllten Hoffnungen ausgesetzt, während sie nach Unterstützung und Verständnis suchen.

Im Landkreis Limburg-Weilburg wurde im letzten Jahr die Selbsthilfegruppe "Mutterherz in Warteschleife" gegründet. Hierbei handelt es sich um Frauen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen, jedoch aus unterschiedlichen oder teils medizinisch unbekannten Gründen bisher nicht schwanger werden konnten. Angesprochen werden auch Frauen, die Fehlgeburten erlitten haben und diese noch nicht überwunden haben. Anja Meyer, eine gebürtige Limburgerin, die mittlerweile im Westerwaldkreis lebt, ist eine von derzeit sieben Teilnehmerinnen.

Die 36-jährige Frau ist seit 2019 glücklich mit ihrem Mann Jens verheiratet. Von Anfang an war es für das Paar wichtig, eigene Kinder zu haben. Sie haben es immer wieder versucht, jedoch ohne Erfolg. "Ich hatte von Anfang an ein komisches Gefühl", berichtet Anja Meyer. Deshalb haben sie und ihr Mann sich medizinischen Untersuchungen unterzogen. Dabei stellte sich heraus, dass ihr Mann zu wenige Spermien hat und diese in Beweglichkeit und Form eingeschränkt sind (OAT-Syndrom). Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Mann auf natürlichem Wege Vater wird, wurde auf nur ein Prozent geschätzt.

Die Meyers versuchten daraufhin ihr Glück in einer Kinderwunschklinik. Dort wurden die besten Spermien und Eizellen, die vorher der Frau operativ entnommen wurden, ausgewählt, die im Labor künstlich befruchtet wurden, und die vielversprechendsten Embryonen wurden wiedereingesetzt (ICSI-Verfahren). Doch dieser Versuch scheiterte bereits drei Mal. Anja Meyer hat nun Angst, dass ihr die Zeit davonläuft, denn ab 30 Jahren steigt die Gefahr einer Fehlgeburt. Die Wahrscheinlichkeit, noch ein Kind zu bekommen, liegt bei ihr, wie ihr mitgeteilt wurde, nur noch bei etwa 30 Prozent.

Die hohen Kosten sind ein weiteres Problem bei dem Versuch über eine Kinderwunschklinik. Die meisten betroffenen Paare erhalten häufig nur die Hälfte der Kosten erstattet, oft bleibt das Paar komplett auf den Kosten sitzen. Diese können mit Medikamenten zwischen 6.000 und 9.000 Euro pro Versuch liegen. Die private Krankenkasse ihres Mannes zeigte in dieser Angelegenheit Kulanz und übernahm 50 Prozent der Gesamtkosten. Generell übernehmen die meisten gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen nur die Behandlungskosten für höchstens drei Versuche. Anjas eigene gesetzliche Krankenkasse hat sie jedoch völlig im Stich gelassen.

Sie hat die ihre Krankenkasse aus diesem Grund verklagt, da mittlerweile 10.000 Euro aus eigener Tasche für die drei Versuche gezahlt wurden. Das Verfahren läuft bereits seit zwei Jahren. "Die Versicherung und das zuständige Sozialgericht spielen auf Zeit", glaubt die Betroffene. Für sie stellt sich das als "eine ausweglose Situation in der Lebensplanung des Paares" dar. In fünf Jahren könnte sie bereits ein Alter erreicht haben, in dem eine Schwangerschaft möglicherweise nicht mehr möglich ist. Klar ist, dass die beiden vorerst keine weiteren Versuche einer künstlichen Befruchtung unternehmen werden, es sei denn, sie gewinnen den Rechtsstreit und erhalten die 10.000 Euro von der Krankenkasse. "Die Kosten sind für uns sonst nicht finanzierbar", sagt sie.

Sie ärgert sich auch darüber, dass sie und ihr Mann in der Kinderwunschklinik nicht noch einmal ordentlich untersucht wurden. Denn erst nach den Versuchen der künstlichen Befruchtung stellte sich heraus, dass das diagnostizierte OAT-Syndrom durch eine Krampfader in den Hoden ihres Mannes verursacht wurde. Diese wurde mittlerweile verödet. Seit einem halben Jahr sind die Spermien ihres Mannes wieder vollkommen in Ordnung. Dennoch hat es bei ihr bisher nicht geklappt, schwanger zu werden. Anja Meyer möchte es mit ihrem Mann jedoch zunächst auf natürlichem Weg weiter versuchen und vorerst auch aufgrund gesundheitlicher Risiken keine erneute künstliche Befruchtung in Betracht ziehen. Zwei Mal erlitt sie bereits durch die Medikamente eine Überstimulation, die durch die Hormongabe verursacht wurde und zu einer Vergrößerung von Gebärmutter und Eierstöcken führte. Es kam zu vermehrten Wassereinlagerungen im gesamten Körper, verstärkt in der Bauchregion. Im schlimmsten Fall kann es zu Wassereinlagerungen in der Lunge kommen, die lebensbedrohlich werden können.

Es wäre für die junge Frau und auch für ihren Mann jedoch belastend, wenn trotz aller Bemühungen ein Kinderwunsch unerfüllt bliebe. Sie haben sich deshalb bereits mit dem Thema Adoption auseinandergesetzt. Doch es gibt nur wenige Kinder, die zur Adoption freigegeben werden, weshalb die Chance, auf diesem Weg ein Kind zu bekommen, gering ist. Wenn sie Eltern mit ihren Kleinkindern sieht, empfindet sie Neid für das Glück der anderen Eltern, das Anja Meyer und ihrem Mann bisher versagt blieb. Diese Situation ist mitunter sehr herausfordernd. Dass das Schicksal ungerecht sein kann, beschäftigt die Limburgerin. "Vor zweieinhalb Jahren haben wir uns zur Ablenkung einen Hund angeschafft. Das hat die Gesamtsituation etwas verbessert", sagt Meyer.

Ihre Schwester hat sie auf die neue Selbsthilfegruppe im Landkreis aufmerksam gemacht. Daraufhin ist sie der Gruppe "Mutterherz in Warteschleife" beigetreten. Meyer sagt: "Hier kann ich mich mit anderen Betroffenen austauschen, denen ich meine Situation nicht erklären muss, weil sie wissen, wie man sich in dieser Situation fühlt." In ihrem eigenen Bekanntenkreis sei das, wie sie offen zugibt schon erheblich schwieriger. Denn andere, die nicht in derselben Situation sind, können nicht nachvollziehen, wie sehr sie unter der Kinderlosigkeit leidet. Dann bekommt sie Sprüche zu hören, die von den anderen Personen sicherlich nicht böse gemeint sind, aber sie dennoch stark verletzen. Wie etwa: "Wann bekommt Ihr denn ein Kind?" oder "Macht euch nicht so viel Druck, dann klappt das schon."

Sie sagt ehrlich: "Ich kann mich auch nicht mit Bekannten mitfreuen, die ein Kind erwarten." Sie betont, dass ihre Selbsthilfegruppe wichtig ist, weil Themen wie ein unerfüllter Kinderwunsch oder Fehlgeburten immer noch Tabuthemen in unserer Gesellschaft sind. Sie sagt: "Um dieses Tabu zu brechen, bin ich sehr froh, dass ich unsere Geschichte erzählen konnte, um anderen Betroffenen zu zeigen: 'Ihr seid nicht alleine!'" Die Selbsthilfegruppe trifft sich alle drei Wochen, immer montags um 19 Uhr. Die nächsten Termine sind am 18.September 2023 und am 09. Oktober 2023. Betroffene Frauen, die gerne an den Treffen teilnehmen möchten, können sich per E-Mail an mutterherz-in-warteschleife(at)gmx.de wenden.